Liveübertragungen: da werden Diskussionen von gestern geführt

Ab Juli wird per Liveticker aus dem Heidelberger Gemeinderat berichtet. Anfang Mai nahmen die Gemeinderäte in ihrer Sitzung eine entsprechende Tischvorlage zur Kenntnis. Die Verwaltung setzt damit Arbeitsaufträge aus der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses um, hatte aber einen Live-Ticker zunächst abgelehnt. Die Kurzberichterstattung soll über das soziale Netzwerk „Instagram“ ausgespielt werden. Organisiert wird er vom Amt für Öffentlichkeitsarbeit der Heidelberger Stadtverwaltung.

Die SPD-Fraktion hatte schon im vergangenen November einen entsprechenden Antrag gestellt. Ursprünglich war darin auch die Forderung erhoben worden, Teile von Ausschussitzungen und Gemeinderatssitzungen im Internet zu übertragen, wenn alle Mitglieder ihr Einverständnis erteilten. Durch die Übertragung solle den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, sich transparent in Echtzeit über die Beschlüsse sowie die Arbeit des Gemeinderats informieren zu können.

Eine Liveübertragung von Sitzungen wird schon seit Monaten in verschiedenen Kommunen immer wieder gefordert. Regelmäßig scheitert dies aber datenschutzrechtlichen Hürden sowie an Fragen des Persönlichkeitsrechts. Das Einverständnis aller Beteiligten für eine Direktübertragung zu bekommen, ist dabei der schwierigste Punkt. In Heidelberg wurde eine konkrete Abfrage gemacht und heraus kam, dass sieben Gemeinderäte einer Übertragung nicht zustimmten.

Die Verwaltung sah unter diesen Umständen keine Möglichkeit, ein Streaming im Internet zu realisieren. Selbst, wenn mit einem Kamerateam gearbeitet werde, das lediglich einzelne Personen ins Bild nehme, gibt es aus Sicht der Verwaltung doch zu viele Personen, die eigentlich nicht gezeigt werden dürfen, aber doch im Bild zu sehen könnten. „Es wäre Usern durch das ständige Ein- und Ausschalten des Streams nicht möglich, der Diskussion zu folgen.

Auch den Liveticker, der nun stattdessen realisiert wird, hatte die Verwaltung zunächst aus zwei Gründen abgelehnt. Zum einen würden Beschlussvorlagen häufig noch in der Sitzung abgeändert oder komplett neu formuliert. Ein Liveticker könne nicht mit dem Maß an Verlässlichkeit betrieben werden, der für eine städtische Publikation geboten sei, argumentierte Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos).

Zum anderen würde die Stadt mit einer redaktionellen Liveberichterstattung aus dem Gemeinderat eine Aufgabe der freien Presse übernehmen. Das verstoße gegen das Gebot der Staatsferne der Presse, auf die der Bundesgerichtshof vor wenigen Monaten angesichts mehrere Rechtsverfahren zwischen Verlagen und Kommunen verwiesen habe. Dabei ging es allerdings um die Frage, ob Kommunen in ihren Amtsblättern einer Tageszeitung gleich über Entwicklungen, Veranstaltungen und Unternehmen berichten dürfen.

Über die Tischvorlage lenkte Würzner zumindest in punkto Liveticker ein. Durchsetzen konnte sich die Verwaltung aber in der Frage, ob es im Nachgang von Sitzungen Videostatements von Gemeinderäten geben könne, die dann veröffentlicht würden. Dieses Projekt wurde aufgrund von fehlenden Ressourcen erst einmal gestoppt.

Die Diskussionen, die in Heidelberg und andernorts geführt werden, muten nach einer zum Teil zweimonatigen Kommunalpolitik-Pause aufgrund der Coronapandemie wie von vorgestern an. Es ist unklar, wie man jetzt noch gegen eine Übertragung sein kann. Oft ist das Argument zu hören, die Gemeindeordnung meint mit „Öffentlichkeit“ keine weltweite Öffentlichkeit per Internetübertragung. Wenn das so ist, kann ich das aber mit einem ganz einfachen Registrierungssystem umgehen: Einwohner, die der Sitzung folgen wollen, müssen sich mit Klarnamen und einem Passwort einloggen. Dann ist klar, wer da der Sitzung beiwohnt. Auch Pressevertretern müsste dieser Zugang ermöglicht werden. Die Daten anzugeben, dürfte in Zeiten, in denen wir im Restaurant unseren Namen, die Telefonnummer und die E-Mailadresse hinterlassen müssen, wenn wir essen gehen, ja wohl kein Problem mehr sein.

Gleichzeitig muss man sich vielleicht davon lösen, dass Gemeinderät*innen keine öffentliche Personen sind. Sind sie es in ihrem Ort faktisch und können sich nicht darauf berufen, die Dinge, die sie sagen, sollen aber bitte nicht so arg an die Öffentlichkeit. Das ist schon vor, vor allem aber mit Corona, nicht nachvollziehbar. Als Gemeinder*ätin muss ich dazu stehen können, was ich sage. Und ich muss damit umgehen können, wenn jemand dann eine andere Meinung äußert. Und nein, das ist manchmal nicht wirklich nett und schon gar nicht schlau, was da manche von sich geben. Als Gemeinderat sollte man aber – wie alle anderen Politiker*innen auch – nicht über jedes Stöckchen springen. Und nur zur Erinnerung: ohne die Möglichkeit, Sitzungen zu übertragen, wurde während der Coronapause in vielen Orten gleich mehrfach gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen, weil gar keine Zuschauer zugelassen waren oder nur in begrenzter Anzahl.

Und ein letztes Wort zu den Kosten: die kommunalen Spitzenverbände sollten sich dringend an die Spitze einer Bewegung stellen, die Übertragungen realisieren will – etwa durch Vorschläge für Standardisierungen wie Anzahl der Kameras, Einstellungen und die technische Realisierung. Ein Gemeinderat mit zwölf oder 16 Mitgliedern braucht sicherlich weniger Kameras als einer mit 40 Mitgliedern. Das würde die Kosten für jede einzelne Kommune am Ende minimieren. Das Land sollte mit Blick auf die gewünschte Digitalisierung bei den Kosten unter die Arme greifen.

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