Die Erosion der Kommunalpolitik

Das Coronavirus hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Er ist eine Bedrohung und alle Maßnahmen, die das Leben der Bürger*innen momentan einschränken, sind richtig und wichtig. Auch Kommunalpolitiker*innen und Kommunalpolitik, die eine wichtige Funktion im Gemeinwesen erfüllt, sind davon massiv betroffen. Das hat dazu geführt, dass Kommunalpolitik in wenigen Tagen erodiert ist. Sitzungen werden auf unbestimmte Zeit verschoben, abgesagt, telefonisch oder per Mail abgehalten. Den Oberbürgermeister*innen und Bürgermeister*innen werden teilweise bis in den September hinein praktisch allumfassende und alleinige Entscheidungskompetenzen eingeräumt. Die Gemeinderät*innen werden derzeit also nicht einmal mehr zum Handheben gebraucht. Alles innerhalb von wenigen Tagen. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung. Überhaupt wird derzeit vieles mal eben so per Verordnung beiseite geräumt, wie man es bis vor wenigen Tagen nicht für möglich gehalten hatte – rein gesellschaftlich, aber auch rechtlich gesehen.

Das Innenministerium hat zwar festgestellt, dass Gemeinderäte tagen müssen und sie vom Versammlungsverbot ausgenommen sind. Das ist sehr sinnvoll und wichtig. Es ist möglich, auch unter diesen Umständen eine Sitzung abzuhalten, die rechtsstaatlichen Vorgaben entspricht – sogar mit Öffentlichkeit. Auch das machen einige Gemeinderäte vor: sie weichen in die örtlichen Sporthallen aus, wo es im Normalfall genügend Platz gibt, um sich und eventuelle Zuhörer*innen zu verteilen. Der Vorschlag des Innenministeriums hingegen, Sitzungen als Telefon- oder Videokonferenz abzuhalten und diese Konferenz dann für die Öffentlichkeit in den Ratssaal zu übertragen, ist kaum praktikabel. Er ist schlicht zu aufwändig, um ihn derzeit umsetzen zu können. Dazu müsste wiederum Personal einen Ratssaal technisch ausstatten, den Zugang für Zuhörer*innen kontrollieren und vieles andere mehr. Das ist nun wirklich nicht sinnvoll.

Sitzungen des Gemeinderats wären auch deshalb wichtig, weil nun viele Eilentscheidungen von den Bürgermeistern getroffen werden, die in der Gemeindeordnung vorgesehen sind, allerdings nur für den absoluten Ausnahmefall und das nicht auf Dauer. Solche Entscheidungen sind deshalb vom Grundsatz her zu vermeiden, weil sie nicht mehr rückgängig gemacht werden können – etwa, wenn es um Auftragsvergaben geht. Über die Argumentation, das sei in der Krise nun mal nicht anders möglich gewesen, braucht man sich als Gremium hinterher nicht mehr zu beschweren. Auch dass Diskussionen nicht mehr stattfinden, ist hochgradig bedenklich. In mehreren Kommunen wurden komplette Haushalte in nur wenigen Minuten beschlossen – genau so, wie er vom Kämmerer aufgestellt wurde und ohne Aussprache. Das ist kein gutes Zeichen und recht kurzfristig gedacht, denn der Haushalt ist für eine Kommune von so elementarer Bedeutung über ein ganzes Jahr hinweg, dass man ihn schlicht nicht beschließen darf, ohne ihn ausführlich zu diskutieren. Beschlüsse im Umlaufverfahren zu fassen ist genauso schwierig, wenn es wie derzeit zum Regelfall wird. Denn auch fehlt die Aussprache dazu.

Wie schwach ist Kommunalpolitik, wenn sie innerhalb von wenigen Tagen sämtliche Handlungsoptionen, die sonst zu ihrem ganz normalen Instrumentarium gehören, aus der Hand gibt?

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